Richtlinie / Themenfeld: Förderung sozialer Innovationen

Handlungsfeld: Modellprojekt

Region: Frankfurt (Oder)

Zielgruppe: Unternehmen

Projektzeitraum: 05.01.2021 - 31.10.2022

Ausgangssituation / Problembeschreibung:

Das Thema der Unternehmensnachfolge ist für den deutschen Mittelstand eine große Herausforderung. Zurzeit und in den kommenden Jahren steht eine Vielzahl an Unternehmen zur Übergabe an, weil die Eigentümer (zumeist altersbedingt) aus dem Erwerbsleben ausscheiden. Im Bundesland Brandenburg stehen nach Schätzung des IFM Bonn zwischen 2022 und 2026 etwa 4.800 Unternehmen zur Übergabe an. Diese Zahl übersteigt die bis 2022 definierte Anzahl von 3.700 Unternehmen weit. Größtenteils handelt es sich um aus Altersgründen abzugebende Unternehmen.

Im Rahmen des Interreg Europe Projektes STOB regions "Succession and Transfer of Business in Regions" wurde durch die HK-Projektgesellschaft als Leadpartner gemeinsam mit acht Institutionen aus sieben weiteren europäischen Regionen unter aktiver Mitwirkung der Landesregierung Brandenburg seit Januar 2017 die Herausforderungen zum Thema Unternehmensnachfolge mit den internationalen Partnern bearbeitet. Dieser Analyse folgend liegt eines der Hauptprobleme in Brandenburg darin, dass es zwar viele Akteur:innen und Institutionen gibt, die aktiv am Thema Unternehmensnachfolge arbeiten. Es findet jedoch keine Koordinierung bzw. Harmonisierung der Aktivitäten statt. Auch werden bestimmte Aktivitäten nur punktuell angeboten, nicht jedoch flächendeckend. Viele Maßnahmen verlieren durch dieses Vorgehen ihre Wirkung. Weiterhin herrscht eine große Unsicherheit unter den Unternehmer:innen und Nachfolger:innen, wer wann die richtige Ansprechperson ist.

Aus den internationalen Erfahrungsaustauschen im Rahmen von STOB regions sowie aus der Mitwirkung in internationalen Nachfolge-Netzwerken konnten wir als einen Erfolgsfaktor für ein funktionierendes Nachfolge-Ökosystem die Existenz einer zentralen Institution definieren, die hauptsächlich eine Koordinierungsfunktion ausübt. Diese Institution wirkt als methodisches, strukturelles Dach, die hilft, vorhandene Prozesse und Strukturen transparenter darzustellen und sinnvoll miteinander zu verbinden. Das Good Practice, an dem wir uns dabei orientieren, kommt aus Belgien. Dort existiert ein Nachfolge-Ökosystem, das bestimmte Leistungen anbietet und beteiligte Partner miteinander verbindet.

Zieldarstellung: 

Im Modellprojekt "Kompetenzzentrum für Unternehmensnachfolge" sollen die zentralen Erkenntnisse des STOB regions-Projektes aufgegriffen werden und den identifizierten Bedarfen für Brandenburg zu begegnen. Ziel ist die Konzeption einer zentralen Institution, um die vorhandenen Prozesse zu verbessern, Strukturen zu stärken und die Zielgruppen optimaler zu erreichen. Eine sinnvolle Bündelung und Koordination aller Informationen und Aktivitäten in Form dieses Kompetenzzentrums wird als notwendig erachtet. Unternehmer:innen und (potenziellen) Nachfolger:innen wird damit eine einheitliche Anlaufstelle geboten, die Informationsmaterialien bereitstellt und an Ansprechpersonen/Experten während des gesamten Nachfolgeprozess weiterleiten kann. Darüber hinaus sollen ausgewählte Angebote, Instrumente und Methoden entwickelt und modellhaft erprobt werden, um bisher fehlende Strukturen und Angebote zu ergänzen.

Neben einer höheren Transparenz über Unterstützungsmöglichkeiten und Zuständigkeiten soll gleichzeitig eine regionale und thematische Abdeckung für das ganze Land Brandenburg erreicht werden (keine Insellösungen mehr und Vermeidung/Abbau von Parallelstrukturen).

Für die Konzeptionierung eines Kompetenzzentrums für Unternehmensnachfolge stehen folglich folgende Zielstellungen im Vordergrund:

  • Bereitstellung von Informationen für die definierten Zielgruppen und Stakeholder
  • Förderung der Kooperation, der Vernetzung und des Austausches zwischen den beteiligten Akteur:innen
  • Ermittlung der Bedarfe zu Veranstaltungs- und Bildungsangeboten
  • Neue Angebote zum Matchmaking kreieren

Das erarbeitete Konzept soll als Baukasten für ein Nachfolge-Kompetenzzentrum verstanden werden. Das Konzept kann beispielsweise ganz oder teilweise als Grundlage genutzt werden, um ein funktionierendes Nachfolge-Ökosystem im Land Brandenburg zu installieren.

Umsetzung / Aktivität / Lösungsansatz: 

Als Basis für die Ausrichtung des Kompetenzzentrums wurde eine umfangreiche Recherche zu Aktivitäten und Akteuren der Unternehmensnachfolge in Brandenburg durchgeführt. Es wurde ein Netzwerk etabliert, das in der Basis aus der Stakeholdergruppe des Projektes "STOB regions" besteht und erweitert wurde um weitere aktuelle Akteure und Akteurinnen. Dafür wurden beispielsweise die Handwerkskammern und die Industrie- und Handelskammern eingebunden, da diese Unternehmer und Unternehmerinnen ihrer Mitgliedsunternehmen sensibilisieren, sich frühzeitig mit dem Thema Unternehmensnachfolge auseinanderzusetzen. Weiterhin wurden Akteure zur Mitarbeit angeregt, die sich im Rahmen von bundesweiten geförderten Projekten mit dem Thema beschäftigen und regionale Aktivitäten anbieten. Darüber hinaus haben sich Vertreter der Bürgschaftsbank Brandenburg, der Brandenburger Hochschulen, einzelne Vertreter von Wirtschaftsförderungen und Gründungsinitiativen (z. B. Lotsendienste) sowie beratende Unternehmen/Institutionen beteiligt. Durch diese Herangehensweise waren neben den Projektmitarbeitenden der IHK-Projektgesellschaft 35 Akteure und Akteurinnen an der Entwicklung der zentralen Institution beteiligt.

Eines der Ziele des Modellprojektes zur Konzepterstellung war es, einen Überblick über die bestehenden lokalen und regionalen Aktivitäten, Veranstaltungen, Matchmaking sowie Bildungs- und Qualifizierungsangebote zu erhalten. Dieser Bestand sollte um die (künftigen) Bedarfe ergänzt werden. Um dieses Ziel zu erreichen, wurde neben der umfassenden Internetrecherche eine Befragung der Akteur:innen zum Bestand und zum Bedarf durchgeführt. Schwerpunkte bildeten folgende Themenbereiche:

(1) Information und Beratung
(2) Matchmaking
(3) Bildung und Qualifizierung
(4) Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit

Die Bestands- und Bedarfsanalyse erfolgte im Rahmen von kleineren Online-Treffen mit den Kammern sowie einzelnen Gesprächen mit allen weiteren Akteuren im Zeitraum von Oktober 2021 bis Januar 2022. Als Basis für die Gesprächsrunden wurde ein Interviewleitfaden entwickelt. In den kleinen Gruppen oder Einzelgesprächen konnte ausführlich über das Vorhaben informiert werden und Fragen beantwortet werden.

Die gemeinsame Entwicklung von weiteren Ideen erfolgte im Rahmen von 2 Workshops (Februar 2022 Online und September 2022 in Präsenz).

Ergebnisse / Erfolge: 

m Ergebnis sind vier Themenschwerpunkte mit unterschiedlichen Zielgruppen als sinnvolle Bestandteile für einen brandenburgweite Institution für Unternehmensnachfolge entwickelt worden, die im folgenden kurz dargestellt werden:

(1) Um die Sichtbarkeit und Transparenz von Beratungs- und Informationsangeboten zu erhöhen wird empfohlen, eine einheitliche Webseite zum Thema Unternehmensnachfolge in Brandenburg zu erstellen. Diese Webseite kann mit vorhandenen Übersichten - wie zum Beispiel der Interpräsenz zum Thema Gründen - verbunden werden. Auf jeden Fall sollte sie eine besondere Aufmerksamkeit wecken. Zielgruppen für die Webseite sind sowohl abgebende Unternehmer:innen, potenzielle Nachfolger:innen und allgemein am Thema interessierte Personen. Für die Inhalte der Webseite wird empohlen, eine Übersicht über Akteur:innen und Ansprechpartner:innen für Unternehmensnachfolge in Brandenburg zu geben sowie Informationen zu regionalen Veranstaltungen, Weiterbildungsangeboten sowie Verlinkungen zu deutschlandweiten Anlaufstellen bzw. Unternehmerbörsen. Die Diskussion über ein Matchingtool führte zur Anregung, mindestens eine Registrierungsmöglichkeit auf der Internetseite zu schaffen oder idealerweise eine eigenes Tool für Brandenburg zu entwickeln.

(2) Um eine Stärkung des Unternehmer:innengeistes und eine stärkere Reichweite für Unternehmensnachfolgen in Brandenburg zu erziehlen wird als zweiter Baustein empfohlen, eine übergreifende Öffentlichkeitsarbeit bzw. Marketingkampagne speziell für Nachfolge in Zusammenhang mit Unternehmertum zu entwickeln. Damit werden potenzielle Unternehmer:innen besser erreicht.

(3) Der dritte Baustein stellt die Vernetzung der Akteur:innen untereinander dar. Gemeinsame Veranstaltungen, Austausche über Erfahrungen und Durchführung von Fachvorträgen sollen im Netzwerk organisiert werden. Diese Vernetzung erfolgt vor allem auf Wunsch der im Projekt eingebundenen Akteur:innen und sollte über eine zentrale Stelle aufgebaut bzw. erweitert und die Treffen organisiert werden. Ziel ist es, die bereits regionalen Ressourcen zu bündeln und das Miteinander beim Thema Unternehmensnachfolge im Bundesland zu fördern und zu fordern.

(4) Im Baustein 4 wird eine verstärkte persönliche Betreuung und Entwicklung von Nachfolger:innen in der Nachgründungsphase angestrebt. Damit sollen unternehmerische Tätigkeiten auch für die Zukunft gestärkt werden. In der während der Konzipierungsphase erprobten Nachfolger Clubs wurde dies als Bedarf von den Nachfolgern genannt. Und auch aus Sicht der involvierten Akteur:innen spielt die individuelle Betreuung dieser Zielgruppe eine große Rolle.

Die im Konzept benannten Bausteine stellen den gemeinsamen Nenner dar, der als Nutzen für die beteiligten Akteur:innen angesehen wird. Die definierte zentrale Institution könnte als struktuerelles Dach weitere Bausteine entwickeln, die einen Nutzen für Akteur:innen darstellen. Das übergreifende Ziel für Unternehmensnachfolgen in Brandenburg, nämlich die Anzahl der erfolgreichen Nachfolgen zu erhöhen, würde mit diesem Konzept gut gelingen.

Von den während der Konzeptentwicklung eingebundenen Akteur:innen wurde die Idee für eine übergreifende Institution grundsätzlich befürwortet. Es gab kritische Hinterfragungen, die sich vor allem auf Aktivitäten bezogen, die bereits bei den Akteur:innen verankert sind. Im Konzept geht es jedoch nur um zusätzliche Aktivitäten, die einen Nutzen für alle darstellen. Stark diskutiert wurden auch die Vor- und Nachteile bezüglich der Regionalität in Brandenburg. Einerseits ist es sehr wichtig, regionale Aktivitäten in den einzelnen Regionen durchzuführen, um genau auf die Erfordernisse der jeweiligen Region, z. b. wenn diese sehr ländlich geprägt ist, einzugehen. Dies erfordert andere Herangehensweisen als in den Regionen um die größeren Städte und kann nicht im Sinne des Gießkannenprinzips erfüllt werden. Im großen und ganzen wurde die Idee für eine zentrale Institution unterstützt, da es bisher an einer Schnittstellenorganisation/ Bündelung fehlt und das Konzept gute Ansätze bietet. Am wichtigsten wird die Bündelung der Informationen und damit die Sichtbarkeit nach außen eingeschätzt. Um sich zu vernetzen, benötigt es eine Struktur/ ein Dach. Und dass die Herausforderungen, denen die Akteur:innen gegenüberstehen offensichtlich bei allen ähnlich sind, hat sich während der durchgeführten Treffen gezeigt. Nun ist es wichtig, dass die Synergien auch genutzt werden!

Bilder

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Dieses Projekt wird durch das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Energie aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds und des Landes Brandenburg gefördert.